Geld, Triumph und Berühmtheit. Wenn man nach den Wünschen von jungen Erwachsenen fragt, begegnen einem diese Antworten sehr oft. Aber erstaunlicherweise ändert sich unsere Ansicht davon, was uns wirklich glücklich macht, im Verlauf der Dekaden radikal.
Die größte Langzeitstudie zur Untersuchung des Glücks hat gezeigt, dass es niemals zu spät ist, seinem Leben eine positive Wende zu geben. Aus österreichischer Sicht mag das Jahr 1938 ein ungünstiger Zeitpunkt erscheinen, um mit der weltweit umfangreichsten Untersuchung zur Erlangung von Glück zu beginnen.
In jenem Jahr startete die Universität Harvard in Cambridge, Massachusetts ein einzigartiges Forschungsprojekt, mit dem das Wohlbefinden des Menschen erforscht werden sollte. Robert Waldinger und Marc Schulz haben nun ihr Werk The Good Life veröffentlicht, in dem sie bisherige Forschungsergebnisse vorstellen, die einige erstaunliche Erkenntnisse hervorbringen. In der Harvard Study of Adult Development wurden die Existenzen von über 2000 Individuen über einen Zeitraum von 80 Jahren untersucht. Innovativ an dem Studiendesign war die Tatsache, dass es von Beginn an darum ging, was zur Gesundheit und Zufriedenheit von Menschen beiträgt, statt sich auf das Kranke zu konzentrieren.
Der jetzige Leiter der Untersuchung, Robert Waldinger, ist außerdem Psychiater, Psycho-Analyst, Zen-Mönch und Dozent für Psychiatrie an der Harvard Medical School. Marc Schulz, der Psychologe, ist der stellvertretende Leiter der Forschung. Herauszufinden, was den Menschen glücklich macht, ist ein äußerst komplexes Unterfangen: Es hängt nicht von einem einzelnen Faktor ab. Vielmehr muss eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt sein, wie z.B. die sozioökonomische Situation, die soziale Anerkennung, die Gesundheit und die Beziehungen.Jugendliche haben oftmals präzise Ideen von den Zutaten, die ein erfülltes Leben ausmachen, sind sich aber nicht bewusst, was sie letztendlich wahrhaftig mit Freude erfüllt hat.
Allerdings neigen Menschen dazu, bei einem Rückblick unvollständige und zuweilen fehlerhafte Erinnerungen heraufzubeschwören. Die einzigartige Sache an der noch immer andauernden Harvard-Studie ist, dass man über mehrere Dekaden hinweg die Teilnehmer begleitet, durch all die unvorhersehbaren Wendungen, denen sie im Laufe ihres Lebens ausgesetzt sind. Es werden regelmäßig Befragungen durchgeführt, aber auch verschiedene körperliche Untersuchungen, von Gehirnscans bis hin zu Blutproben. Es wurden sogar 25 Gehirne von verstorbenen Teilnehmern gespendet. Obwohl man Menschen als sehr verschieden betrachten kann und jeder von uns eine einzigartige Vorstellung davon hat, wie ein glückliches Leben aussehen sollte, stellte sich bei der Harvard-Studie und anderen internationalen Langzeitstudien ein eindeutiger Faktor als am bedeutendsten heraus: stabile Bindungen.
Unter Beziehungen verstehen wir nicht nur Paarbeziehungen, sondern auch Freundschaften, Familienbande, Kollegen, Nachbarschaftskontakte und selbst Zufallsbekanntschaften. Wenn man die vierundachtzig Jahre der Harvard-Studie als ein Leitprinzip betrachtet, so lautet dieses: Ausgezeichnete Bindungen führen zu größerer Gesundheit und mehr Glückseligkeit, so Waldinger und Schulz. Diese Erkenntnis steht in krassem Gegensatz zu vielen allgemeinen Vorstellungen was ein glückliches Leben beinhalten soll: beruflicher Erfolg, Reichtum, ausreichende Bewegung und eine gesunde Ernährung – all dies ist natürlich nicht unwesentlich für das Wohlergehen.
Letztendlich ist es aber entscheidend, dass man in einer Beziehung ist, in der man sich unterstützt, wertgeschätzt und nicht ausgebeutet fühlt. Auch die Medien tragen ihren Teil dazu bei, falsche Vorstellungen von Glück zu vermitteln: Es wird oft als etwas angesehen, das man durch Leistung oder Zufall erlangen kann und dann für immer besitzt. Als ultimatives Ziel, welches nur durch das Überwinden vieler Schwierigkeiten erreicht werden kann, versucht man inständig, an einem Ort zu verbleiben, wenn man erst einmal angekommen ist. Doch wie es die Forschung über Glücklichsein zeigt, sind solche Vorstellungen nicht nur unwirksam bei dem Bemühen, glücklich zu sein, sagt Waldinger.
Sie lenken uns sogar irre, wodurch wir schließlich unglücklich werden könnten, indem wir ihnen vergebens nachjagen. Über die Zeit entwickelt sich das Gefühl, dass unser Sein hier vor Ort ist, doch die Dinge, welche nötig sind, um ein zufriedenes Leben zu führen, liegen weit entfernt oder in der Zukunft. Immer außerhalb unserer Erreichbarkeit, erklären Waldinger und Schulz. Menschen sind wirklich unfähig zu ergründen, was für sie das Beste ist. Externe Ermunterungen, die auf umfassenden Ergebnissen vieler Forschungen basieren, können dagegen eine solide Basis bieten, um Entscheidungen zu treffen, die ein glückliches Leben fördern.
Die Harvard-Studie deutet darauf hin, dass eine Entscheidung, die für unsere Gesundheit und unser Glück am vorteilhaftesten ist, die Pflege von starken Verbindungen beinhaltet. Der Psychologe Waldinger betrachtet das Führen erfolgreicher Beziehungen wie eine Trainingsmöglichkeit - wie zum Beispiel ein nettes Wort an eine Fremde auf der Straße richten, mit der alleinstehenden Nachbarin ein längeres Gespräch führen oder etwas Neues mit Menschen anstellen, die man häufig als selbstverständlich betrachtet, um neuen Schwung in die Beziehung zu bringen. Waldinger betont, dass er selbst diese Lehren befolgt, da er sich dazu entschließt, an einem Samstagnachmittag nicht zu arbeiten, sondern stattdessen einen Spaziergang mit einem Freund zu unternehmen.
Dieser Entschluss, in Beziehungen zu investieren, ist nicht nur einmalig, sondern wird immer wieder erneuert - jede Sekunde, jede Woche und jedes Jahr. Es ist eine Wahl, die, wie verschiedene Studien bestätigt haben, zu anhaltender Zufriedenheit und einem erfüllten Leben beiträgt, so die Harvard-Forscher. Doch manchmal ist es nicht gerade leicht, diese Entscheidung zu treffen. Als Menschen stehen wir uns selbst häufig mit den besten Absichten im Weg, machen Fehler und werden von Personen, die uns lieben, verletzt.Der Erfolg auf dem Weg zu einem glücklichen Dasein ist also nicht leicht zu erreichen. Es ist durchaus realisierbar, den Weg mit Erfolg zu bewältigen und seine Veränderungen zu bewältigen.
Ein interessanter Punkt der Harvard-Studie ist auch, dass klar wird, wie eng psychische und physische Faktoren verbunden sind: Einsame Menschen, die kein ausreichendes gesellschaftliches Umfeld haben, weisen bedeutend höhere Stresshormone auf und am Ende schlechtere Blutwerte. Individuen, die stärker eingeschränkt sind, als es ihnen recht ist, verlieren schneller ihre Gesundheit als Menschen, die sich mit anderen verbunden fühlen; so stellen Waldinger und Schulz fest. Es ist offensichtlich, dass unsere Fähigkeit, ein glückliches soziales Umfeld zu gestalten, durch äußere Bedingungen und frühe Erlebnisse beeinflusst wird; aber Menschen, die in einer verbindenden Beziehung leben, die ihnen ein Gefühl von Komfort und tiefer Wertschätzung vermittelt, werden nachweislich ein längeres und gesünderes Leben führen.
Es besteht jedoch auch eine große Aussicht auf Erfolg, denn es gibt keine definierte Grenze, an der man nicht mehr fähig wäre, positive Verbindungen aufzubauen und diese zu erhalten - was letztendlich zu einem gesünderen Glücksgefühl führen kann. Die These, dass wir nachdem wir erwachsen sind, keinen weiteren Fortschritt mehr machen, wird von allen Forschungen zu diesem Thema als irrig entlarvt. An dieses Ergebnis knüpft sich auch Waldingers Rat: Treffen Sie eine der Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen können: Erinnern Sie sich an jemanden, den Sie vermissen und dem Sie gerne wieder begegnen möchten. Greifen Sie zu Ihrem Telefon und schicken Sie dieser Person eine kurze Botschaft. Beobachten Sie anschließend, was zur Antwort kommt. Oft sind es gerade diese winzig kleinen Handlungen, die eine immens große Wirkung auf unser Seelenheil haben. Dies sind Dinge, die wir jeden Tag durchführen können.
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